»Die Erde - kaum auszumalen - ist der Rede interieur.« Und die Herde der Rede aggregieren in »Vorstufen der Verschmelzung von Figurenreihen, die vor dem ruhenden Auge vorüberziehen« ein Poem von mehr als 1000 neunzeiligen Strophen, »Stanzen aus diskreter Stetigkeit«. Da schläft Poemander, Hirte der Hermetika, schürt und hütet die Herde seiner überlieferung, welche ihr »Wachsein in Sprache« erhellt. Der opulente Gedichtband deutet zudem in Glossen sowie ikonischen Lese- und Orientierungshilfen die Möglichkeiten von Lyrik an: ohne hemdsärmelige »Krempel der reinen Vernunft«
dort, wo Sprache aufhört, Kritik ihrer Urteilskraft zu sein, »zunft ihrer Zukunft« einzugehen in ein selbstredendes Moiré der Rede. Ein Gegengedicht, das Aufmerksamkeit, Erwartung und Erinnerung wortgetreu verflicht in Strängen der lyrischen Tradition. Ekloge, Ode und Lehrgedicht in einem - als anschaulich präzis konzipierte, sinnliche Verstrickung: »Nach und nach ist Poesie alles in allem ein Bild.«
»Für den Leser und mehr noch für den Hörer des Texts ergibt sich eine eigenartige Oszillation zwischen Klang und Bedeutung, die Aufmerksamkeit wird gleichsam ins Schweben gebracht zwischen Wörtern und Worten, will heißen zwischen Lautgestalt und Sinngehalt des verwendeten Sprachmaterials. Auf der Sinnebene ist Eggers Dichtwerk - am ehesten wohl von Lukrez, von Vergil her - zu begreifen als eine hymnische Rede zur Feier der Erde, zugleich als ein vielstimmig instrumentiertes Hoheslied, in dem und durch das die Rede sich selbst feiert. Hier wird einmal wieder, in Abweichung vom üblichen apokalyptischen Plauderton heutiger Trendpoesie, ohne Scheu und Vorbehalte auf das
gesetzt, nämlich auf die konkret gegebene, sinnlich erfahrbare Ding- und Wortwelt. Als heitere Erhabenheit könnte man die Tonlage bezeichnen, die Oswald Egger in seinem symphonischen Großgedicht subtil austariert und mit staunenswerter Konsequent durchhält. [...] Eggers 'poemandernder' Text ist, was seine Bewerkstelligung betrifft, das Ergebnis vielfacher anagrammatischer Entfaltungen und stellt insgesamt so etwas wie eine verbale Klöppelarbeit dar - mit intensiven Verknotungen, aber auch mit löchrigen Stellen: ein Netzwerk ohne Mitte, ohne Saum. Das Poem erwächst (
erwächst viel mehr, als daß es 'gemacht' würde) aus ein paar wenigen Wortnestern, die über immer wieder neue Lautassoziationen einen Vers um den andern, Strophe um Strophe, Gesang um Gesang generieren. Der Klang, der Gleichklang kommt durchweg vor dem Sinn; oder umgekehrt - der Sinn ergibt sich (falls er sich ergibt) aus dem Klangleib der Wörter und aus deren lautlicher Konjunktion. [...] Oswald Eggers Dichtung ist Sprachkunst pur. [...] Da die Bedeutungsebene weitgehend ausgeblendet bleibt, sollte man beim Lesen zuallererst
hinhören auf das was schwarz auf weiß dasteht. Wer den Text und die in ihm gespeicherten virtuellen Klangereignisse so zu erschließen vermag, der wird auch seinen Sinn begriffen haben.«